In vielen Bereichen menschlichen Lebens stürmen die Menschen voran – schließlich geht es um die Zukunft: in Wissenschaft und Technik, in der Politik, im Wirtschaftsleben und in der Mode. Und auch im Kalender planen viele schon für Dinge, die erst in einem oder sogar mehreren Jahren stattfinden werden. Bei dieser Jagd auf die Zukunft bleibt vielfach das Erinnern, das Gedenken, auf der Strecke. Das Gewesene ist aber wert, dass es nicht vergessen wird, besonders wenn es für viele oder auch nur für Einzelne bedeutend war!
Das gilt für mich als Individuum besonders dann, wenn ich einen lieben Menschen durch den Tod verloren habe. Dieser lebt in mir und anderen ihm nahestehenden Menschen weiter, weil wir durch seine Existenz mitgeprägt wurden. Wir wären nicht das, was wir sind, wenn Mutter, Vater, Freunde, Großeltern und viele andere uns nicht geprägt hätten. Dafür können und sollten wir dankbar sein und es eben nicht vergessen. Die vielen kirchlichen und weltlichen Toten-Gedenktage sollen uns jetzt besonders daran erinnern.
Das gilt aber auch für Erinnerungen einer Gemeinschaft oder eines ganzen Volkes. Auch dafür gibt es im November eine reiche Zahl an Gedenktagen. Ein immer wieder erschütternder Tag ist der 9. November, an dem wir uns in jedem Jahr an die Reichspogromnacht erinnern. Dieses Ereignis fasst in einer kleinen Zeitspanne das ganze Leiden des jüdischen Volks in der Nazidiktatur zusammen.
Das Gedenken an Menschen und Ereignisse darf aber nicht in der Vergangenheit verharren. Es gibt eine starke Verbindung zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft: Es ist der Mensch, der die Vergangenheit geprägt hat, die Gegenwart gestaltet und die Zukunft plant.
Darum wollen die Initiatoren der jährlichen Gedenkstunde an der Synagogentafel in diesem Jahr eine Brücke schlagen zu dem Leiden, das viele der Flüchtlinge erlitten haben, die heute an den Toren Europas anklopfen.
Die Gedenkstunde findet in diesem Jahr am Sonntag, dem 8. November 2015, um 18.30 Uhr statt, Straße „An der Synagoge“. Es werden der Rabbiner Mordechai Bohrer und Mitglieder der jüdischen Gemeinde aus Aachen erwartet. Anschließend führt der schon zur Tradition gewordene Kerzengang zum Mahnmal auf dem Propst-Bechte-Platz wo es auch eine kurze Besinnung im Licht der Kerzen geben wird. Den Abschluss bildet eine gesellige Runde im Bonhoeffer-Haus, Düsseldorfer Str. 31, bei der aber auch eine Schulklasse des Gymnasiums Haus Overbach die Ergebnisse einer erschütternden Untersuchung vortragen wird.
Christen, Juden, Muslime, alle Interessierten sind herzlich eingeladen, an diesem Gedenkabend miteinander ein wichtiges Zeichen für Versöhnung und Frieden zu setzen.
Pastor Dr. Peter Jöcken