Liebe Mitchristen!
Ist Ihnen schon mal aufgefallen, wie viele Menschen auf der Flucht sind – in der Bibel? Die Flucht aus der Gefangenschaft in Ägypten hat das Volk Israel so sehr geprägt, dass sich Juden bis heute daran erinnern und das Pessach-Mahl als eines ihrer wichtigsten Feste feiern. Aus dieser Flucht-Geschichte und Befreiungserfahrung hat sich unser höchstes Fest im Kirchenjahr entwickelt: Ostern.
Im Advent bereiten wir uns auf das andere Hochfest vor, an dem wir uns an eine Geburt erinnern – unterwegs, fern von zuhause, notdürftig in einem Stall oder einer Höhle. Doch das junge Leben ist in Gefahr: „Herodes wird das Kind suchen, um es zu töten.“ Wie aktuell! In zweitausend Jahren scheint sich nicht viel grundsätzlich geändert zu haben: Mit allen Mitteln halten manche Machthaber an ihrer Macht fest und gehen dafür auch über Kinderleichen. Und eine Stimme flüstert dem Mann in der Vater- und Beschützerrolle zu: „Steh auf, nimm das Kind und seine Mutter, und flieh!“ Wie so eine Flucht ausgesehen haben mag, zeigen uns täglich die Fernseh-Nachrichten. Was wäre gewesen, wenn Ägypten an seiner Staatsgrenze einen unüberwindbaren Zaun errichtet und die Einreise verweigert hätte? Das Bezaubernde und Wunderbare an Weihnachten scheint mir gerade die Parteinahme und Solidarität Gottes mit Flüchtlingen und Außenseitern zu sein. Als die schwangere Maria ihre hochschwangere Cousine Elisabet besucht und in ihrem Glauben an die Verheißung von Elisabet bestärkt wird, lobt Maria Gott genau wegen seines Erbarmens und seines Eintretens für die Schwächeren: „Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen. Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.“ (Lk 1, 52-53) Weihnachten ist mehr als die Feier eines längst vergangenen „Happy End“. Weihnachten ist hoch aktuell mit seiner Aussage.
Und Weihnachten gibt es nicht zum Nulltarif. Natürlich ist es nicht ganz ohne Risiko, „Fremde“ aufzunehmen. Natürlich kostet es eine Stange Geld, Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen. Und natürlich gibt es da diejenigen, die anderer Meinung sind und die Flüchtlinge lieber tot außerhalb der „Burg Europa“ sähen als lebendig in der eigenen Nachbarschaft.
Liebe Mitchristen!
Gönnen Sie sich den Advent als Vorbereitung auf die Feier seiner Ankunft und Wiederkunft am Ende der Zeit. Seitens der Pfarrei Hl. Geist wünsche ich Ihnen, ein offenes Herz für die Sorgen und Freuden der Menschen in der Adventszeit.
Ihr Pastor Josef Wolff