Im März 2020 wurden bundesweit die Schulen geschlossen. Das Coronavirus hatte das Schulleben komplett lahmgelegt, auch in Jülich. Damals konnte keiner ahnen, dass diese schwierige Situation bis heute andauern würde. Über ein Jahr gewissermaßen „Ausnahmezustand“ – mit immer wieder neuen Herausforderungen für alle am Schulleben Beteiligten: SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern und die Schulseelsorge. Mal waren die Schulen komplett im Lockdown, mal gab es Wechselunterricht, mal Hybridunterricht. Als Schulseelsorger, die auch unterrichten, mussten wir uns wie alle Lehrenden mit den digitalen Medien, Möglichkeiten und Notwendigkeiten des Unterrichtens vertraut machen.
Seelsorgerisch waren die Herausforderungen nicht weniger groß: SchülerInnen, die man bisher im Schulgebäude traf, im Klassenzimmer, auf Fluren oder Schulhof, die um Gespräche baten, um Unterstützung als einzelne oder in Gruppen, sah man jetzt entweder am Bildschirm – oder überhaupt nicht mehr. Vertraute Beziehungen, selbstverständliche Begegnungen brachen plötzlich weg. Projekte des sozialen Lernens waren nicht mehr möglich, Erkundungen von Kirchengebäuden und liturgische Feiern mussten ausfallen, dies war eine gerade im Blick auf Entlassgottesdienste oder die geprägten Zeiten vor Weihnachten und Ostern schmerzhafte Erfahrung.
Aber so wie Gewohntes, Vertrautes, Selbstverständliches, über Jahre Gewachsenes wegbrach, ergaben sich neue Möglichkeiten und Notwendigkeiten, den jungen Menschen ebenso wie den Lehrern und Eltern als Seelsorger zur Seite zu stehen. Mit zahlreichen SchülerInnen entwickelte sich eine „Chat-Seelsorge“, indem wir mittels einschlägiger Messenger-Dienste Kontakte gestalten konnten.
Hier öffnete sich ein neuer Raum, in dem wir als seelsorgliche Gesprächspartner gefragt und gewünscht waren, z.T. fast rund um die Uhr. Denn die zeitliche Begrenzung des schulischen Alltags, die auf dem realen Schulgelände gilt, ist in den sozialen Medien bzw. Chat-Diensten aufgehoben. Da wird der Schulseelsorger zu jeder Tageszeit bis spät abends um Rat und Hilfe gebeten. Wenn es in der Familie Schwierigkeiten gibt, kann ich das auch um 23 Uhr noch eben in den Chat schreiben und den Schulseelsorger um Hilfe bitten.
Und die familiären Probleme haben in der Zeit von Corona deutlich zugenommen. Viele Familien leben in kleinen Wohnungen. Was in „normalen“ Zeiten naturgemäß entzerrt wird, weil Schulen und Kitas räumliche
Entlastung bringen, ballt sich in Pandemiezeiten mit all ihren Beschränkungen auf engstem Raum zusammen. Da sind Konflikte, Streitigkeiten und Auseinandersetzungen – nicht nur verbaler Art – vorprogrammiert. Fälle häuslicher Gewalt nahmen deutlich zu. In solchen Fällen war es gut, auf die Kompetenz und Erfahrung der Schulsozialarbeit und entsprechender Beratungsstellen zurückgreifen zu können.
Über die Notbetreuung, die an den Schulen für all diejenigen SchülerInnen eingerichtet wurde, die zu Hause nicht betreut werden konnten, kamen wir als Seelsorgende in das Blickfeld von Schülern, die uns bisher wenig wahrgenommen hatten. Vertrauen konnte aufgebaut, neue Beziehungen konnten gestaltet werden.
Da war dann auch schon mal Zeit für einen Spaziergang durch Jülich, auf dem man nicht nur über Sorgen und Probleme, sondern auch über das sprechen konnte, was im Leben Spaß und Freude macht. An der Schirmerschule (Förderschule) boten sich darüber hinaus Möglichkeiten, im erlaubten Einzelkontakt mit SchülerInnen den Psychomotorik-Raum, den Entspannungsraum oder das Schülercafé zu nutzen – zum Gespräch, zur Beratung, zur Entspannung. Im vollen Schulbetrieb wären intensive Einzelkontakte in dieser Art nicht möglich gewesen.
Auch Gespräche mit LehrerInnen, denen in diesen Pandemiezeiten viel abverlangt wird, ergaben sich immer wieder im Lehrerzimmer und halfen, sich gegenseitig manchen Frust von der Seele zu reden. Das befreite und schuf Raum für neue Energie.
Von daher konnte die Schulseelsorge bei allen Einschränkungen, die wir im letzten Jahr hinnehmen und mit denen wir zum Leidwesen von SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern leben mussten, doch auch viele positive Erfahrungen machen und in einem veränderten Rahmen notwendige Begleitung und Hilfestellung geben. Mit allen Beteiligten hoffen wir, dass wir nach den Sommerferien in das normale Schulleben zurückkehren können – gesund, voller Energie, voller Freude.
Pastoralreferent Ralph Loevenich und
Pastoralassistentin Linda Schmitt-Thees
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