Entdecke mich! – Heiligtumsfahrt Aachen 2023

Kategorie(n): alle Gemeinden, Allgemein

„Das müssen Sie sich wie bei Erinnerungsstücken vorstellen“, meinte der Domführer, als am Aachener Marienschrein stehend die Frage kam, was es mit den darin aufbewahrten Gegenständen auf sich habe. „Manche von Ihnen bewahren sicherlich noch Haarlocken der Kinder, die ersten Milchzähne oder andere Gegenstände auf, die eigentlich nutzlos sind, aber die für Sie einen hohen ideellen Wert besitzen.“ Ich musste unweigerlich an das Teeservice „Wildrose“ denken, das ich von meiner Großmutter geerbt habe, und das in unserer Vitrine ausgestellt ist, aber ungenutzt ist. „Das Leben der Menschen im Mittelalter“, so der Domführer weiter, „können wir uns heute mit Blick auf die damaligen Lebensumstände kaum hart genug vorstellen.“ Die 35 bis 40 Jahre, die als damaliges Durchschnittsalter gelten, waren als Erklärung vollkommen ausreichend. Die Menschen, so unser Guide weiter, hätten auf die jenseitige Erlösung im Himmelreich hingelebt. Reliquien – wie die Windeln Jesu – seien stark mit religiösem Wert aufgeladen gewesen, der die Erlösung nach dem Tod ein wenig in den mühsamen Alltag der Menschen durchscheinen ließ. Entsprechend wichtig waren diese „Heils-zeichen“, wodurch Aachen mit seinem Reliquienschatz im Mittelalter zu einem Wallfahrtsort wurde, der mit Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela konkurrierte.

Den meisten Menschen heute sind Reliquien und deren Verehrung zunächst einmal fremd – kein Wunder, leben wir doch meist im Hier und Jetzt. Die Frage, die sich uns in Deutschland heute stellt, ist weniger die Frage nach Erlösung von dieser Welt hin zu einem besseren Ort. Weil sich unsere Lebensbedingungen verbessert haben, fragen wir vielmehr, wie wir in diesem Leben glücklich werden können. Die Verehrung von Reliquien, die ein Stück des christlichen Heils vorwegnehmen, ist für uns somit schwer nachvollziehbar.

Und trotzdem findet auch in diesem Jahr die Heiligtumsfahrt in Aachen statt … In meinem persönlichen Glauben hatten Reliquien bisher keine große Bedeutung. Trotzdem will ich mich in diesem Jahr auf diese Tradition im Bistum Aachen einlassen. Dabei spielt für mich keine Rolle, ob das Enthauptungstuch Johannes des Täufers tatsächlich seines war, daran hängt mein Glaube nicht. Vielmehr schätze ich es, dass die Glaubenstradition ganz konkret wird:

Die Stoffreliquien kann man sehen, die Schreine, in denen sie lagern, sind in ihrer kunstvollen Ausgestaltung eine Freude für das Auge der Betrachtenden. Sie sind materielle Glaubenszeugnisse, wie der Dom selbst, die den Glauben der Menschen veranschaulichen, damals wie heute.

Aus der Geschichte ist bekannt, dass mit der Reliquienverehrung nicht selten auch Missbrauch betrieben wurde und die Vergegenständlichung von Glaubenswahrheiten leider auch einen „engen“ Glauben zur Folge haben kann. Denxnoch haben die Reliquien für viele Menschen, damals wie heute, eine große Bedeutung. Mich persönlich erinnern sie daran, dass ich als gläubiger Mensch von einem „Mehr“ ausgehe: einer göttlichen Dimension, dem Reich Gottes, wie es in den Evangelien genannt wird, das sowohl nach diesem irdischen Leben eintritt, das aber auch schon jetzt begonnen hat und an dem ich mitbauen will – ganz konkret.

Pastoralassistent Raphael Schlecht

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Die Aachener Heiligtumsfahrt vom 9. bis 19. Juni 2023 soll ein großes und fröhliches Fest des Glaubens und ein Ort der Begegnung werden. Sie bringt seit jeher Pilgernde aus der ganzen Welt zusammen. Das biblische Leitwort für die diesjährige Heiligtumsfahrt lautet „Für wen haltet ihr mich?“ (Mt 16,15). Es ist die Frage an die Christen, ob und wie sie Jesus als den von Gott gesandten Christus anerkennen.

Ergänzt wird es durch das Motto „Entdecke mich“. Dazu Dompropst und Wallfahrtsleiter Rolf-Peter Cremer: „Das Motto ist als Aufforderung gedacht, das Wahrhaftige im Menschen und in sich selbst zu finden, Christus und den Glauben neu oder anders zu entdecken durch das Erlebnis der Heiligtumsfahrt.“

Alle Interessierten sind eingeladen, an täglichen Gottesdiensten und Gebeten, der Verehrung der Heiligtümer und zahlreichen Kulturveranstaltungen teilzunehmen, die alle kostenfrei sind und vielfältig ansprechen: vom Jazzabend mit Götz Alsmann über einen Mitsingabend mit Guildo Horn bis zu einem Weltmusikabend mit Judy Bailey.

Eigentlich war die Aachener Heiligtumsfahrt bereits 2021 geplant, musste aber aufgrund der Coronapandemie verschoben werden. Seit dem Pestjahr 1349 findet die Wallfahrt im siebenjährigen Rhythmus statt. Seitdem kommen Pilgernde, Glaubende, Suchende und Neugierige zur Heiligtumsfahrt, um die im Dom befindlichen Heiligtümer zu verehren. Bei den Tuchreliquien aus dem Marienschrein handelt es sich der Überlieferung nach um das Kleid Mariens, das sie in der Geburtsnacht getragen hat, die Windel Jesu, das Enthauptungstuch des heiligen Johannes des Täufers und das Lendentuch Jesu.

Nähere Informationen zur Heiligtumsfahrt gibt es unter www.heiligtumsfahrt2023.de