Dem Glauben und der Spiritualität mehr Raum im Alltag geben

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Heute möchte ich ein paar Gedanken zur Familienkatechese, die ein Teil der Kommunion-Vorbereitung ist, mit Euch und Ihnen teilen. Ich hoffe, dass dadurch besser nachvollziehbar wird, warum mittlerweile an vielen Orten ähnliche neue Wege der Vorbereitung angeboten werden.

Über viele Generationen hinweg war es üblich, dass Kinder die Basics des Glaubens, der christlichen Ethik und der Religion in ihrer Familie von den Eltern und Großeltern erlernten. Dies erfolgte nicht in regelmäßig stattfindenden Lehrstunden, sondern war selbstverständlicher gelebter Teil des Alltags.

Manche haben diese Art der Weitergabe von Glaubenstraditionen wohl selbst noch so erfahren – hier einige Beispiele:

• Viele Eltern beteten mit ihren Kindern vor dem gemeinsamen Essen und beim zu Bett gehen ein kurzes Tisch- bzw. ein Nachtgebet.

• In manchen Haushalten gab es den Brauch, dass ein Brotlaib von der Mutter mit einem Kreuzzeichen gesegnet wurde, bevor man ihn anschnitt.

• Häufig hing im Haus ein kleines Weihwassergefäß. Man holte das Weihwasser, wenn es aufgebraucht war, aus der Kirche, füllte es in das Gefäß und segnete sich selbst täglich mit diesem Wasser.

• Die über das Jahr verteilten Kirchen- und Marienfeste wurden ganz selbstverständlich mitgefeiert und der Sonntagsgottes-dienst war ohnehin Pflicht. Das war nebenbei auch eine Gelegenheit, mit der Gemeinde vor Ort zusammen zu kommen und die Beziehungen in der Gemeinschaft zu pflegen.

• Die Beichte war ebenso Pflicht und wurde von vielen Menschen (mehr oder weniger) regelmäßig vollzogen.

• Manche Haushalte hatten einen kleinen Haus-Altar oder einen Herrgotts-Winkel mit einem Kreuz, wo z.B. Blumen- oder Kräutersträuße standen und ab und zu eine Kerze oder Weihrauch entzündet wurde.

• In fast jedem Haus gab es ein Kirchen-Gesangbuch, einen Rosenkranz und in vielen Familien waren auch eine kleine Ikone, ein Marienbild oder eine Marienfigur sowie ein Katechismus und eine Bibel zu finden.

• Freitags gab es in vielen Familien regelmäßig Fisch zu essen und die Fastenzeit vor Ostern wurde von sehr vielen Erwachsenen eingehalten.

• In einigen Familien wurde der Brauch gepflegt, dass an Heiligabend (vor dem Essen und den Geschenken) vom Vater die Erzählung der Geburt Jesu aus dem Lukasevangelium vorgelesen wurde.

Die Aufzählung könnte fortgesetzt werden und sicher fallen vor allem den Älteren zahlreiche weitere Beispiele gelebter Glaubenspraxis ein.

Mittlerweile ist es die Ausnahme, dass solche Glaubenstraditionen im Familienalltag Platz finden. Das hat eine Vielzahl an Gründen, die aufzuzählen an dieser Stelle zu weit führen würde.

Es liegt mir völlig fern zu sagen, dass all diese Traditionen notwendig sind, um wie ein „guter Christenmensch“ zu leben. Ein kritischer Blick auf unsere religiösen Traditionen ist immer sinnvoll und manches ruft geradezu nach Veränderung, damit die frohe und befreiende Botschaft des christlichen Glaubens ihre Kraft entfalten kann.

Wenn der Glaube im Alltag aber überhaupt keinen Ausdruck mehr findet, wird es in verschiedener Hinsicht problematisch. Dann „verdunstet“ die Glaubenspraxis, bis alles irgendwann fremd und unbekannt ist.

Kinder, die in einer Umgebung aufwachsen, in der der Glaube keinen Ausdruck und religiöse Traditionen keinen Raum finden, haben es häufig sehr schwer, einen Zugang zum Glauben zu finden. Daran ändern dann auch ein paar Stunden Kommunionkatechese oder der Religionsunterricht in der Schule nicht viel.

So betrachtet ist Familien-Katechese nichts Neues. Sie greift ganz im Gegenteil eine alte christliche Tradition wieder auf, nämlich die der Glaubensweitergabe innerhalb der Familie, die in den letzten Jahrzehnten nach und nach verloren gegangen ist. Die Familien-Katechese versucht an diese alte Tradition anzuknüpfen und sie in die Gegenwart zu übersetzen. Sie will Eltern ermutigen, ihren Kindern auch in Sachen Glauben ein Vorbild zu sein. Vielleicht kann auf diesem Weg Spiritualität und Glaube in manchen Familien wieder einen Ausdruck im Alltag finden; denn dort soll unsere christliche Hoffnung ihre Kraft entfalten, damit sie uns stärken und froh machen kann.

In herzlicher Verbundenheit,

Ihre Gemeindereferentin Susanne Gerhards

Foto: Susanne Gerhards