Anfang Oktober feiern wir das Erntedankfest. Von den Kitas bis zu den Senioreneinrichtungen, in den Schulen und Gemeinden wird der Blick sensibilisiert für die kleinen und großen Wunder der Schöpfung, wie jedes Jahr alles neu wird und sich entfaltet. Die Schöpferkraft Gottes, die am Anfang mit dem Wort „Es werde …“ alles ins Leben gerufen hat, wirkt bis heute und lässt aus jedem kleinen Samenkorn staunenswerte Blumen, Pflanzen und Bäume erwachsen. Wir dürfen sie genießen und von den Früchten ernten. Wir dürfen uns daran erfreuen und daraus etwas Schönes oder Leckeres gestalten. Damit sagen wir Dank auch all denen, die sich mit ihrer Schaffenskraft, ihrem Können und ihrer Kreativität einbringen zum Wohl und zur Freude der Menschen.
Das Genießen der Schöpfung will uns auch stärken im Vertrauen auf den Schöpfergott, der gut für uns sorgt. Jesus sagt im Evangelium (Matthäus 6 oder Lukas 12):
Schaut auf die Blumen auf dem Feld! Sie sind schöner als die tollsten Gewänder des berühmten Königs Salomo. Und schaut auf die Vögel am Himmel! Sie fliegen in ihrer Leichtigkeit dahin und finden immer genug zu essen. Wenn Gott für diese Geschöpfe so sorgt, wie dann erst für euch Menschen?
In dieses Vertrauen nehmen Eltern ihre Kinder auf, wenn sie sie taufen lassen. In diesem Vertrauen wagen Paare ihr Ja, wenn sie kirchlich heiraten. In diesem Vertrauen nehmen wir von Menschen Abschied, wenn sie sterben und wir sie der nie endenden Sorge und Liebe Gottes anvertrauen.
Jedoch bedeutet das Vertrauen auf die Sorge Gottes nicht, dass wir die Hände in den Schoß legen und tatenlos dem Lauf der Welt zuschauen. Im Gegenteil: Die Dankbarkeit für die uns anvertraute Schöpfung führt fast automatisch zur Übernahme der Verantwortung für die uns anvertraute Erde. „Genießen“ beinhaltet die Wachsamkeit für unsere Gesundheit an Leib und Seele, die Aufmerksamkeit, was uns gut tut an Leib und Seele – ganz konkret, wie viel Zucker, Alkohol, Fleisch, Kaffee etc. ein für den Körper verantwortlicher Genuss ist.
Und „Genießen“ macht nur Freude, wenn es nicht egoistisch nur um mein eigenes Wohlbefinden geht, sondern die Grenze bewusst einschließt, durch die andere Menschen heute und in Zukunft ausgeschlossen werden.
Ich kann nur Freude an einem schönen Kleidungsstück haben, wenn ich weiß, dass es nicht unter unmenschlichen Bedingungen in armen Ländern der Erde hergestellt wurde. Ich kann mir nur leckere Lebensmittel auf der Zunge zergehen lassen, wenn dies nicht mit dem Geschmack von Ausbeutung oder Hunger derer verbunden ist, die diese Nahrungsmittel produzieren. Ich kann nur eine schöne Wohnung, ein tolles Auto, eine spannende Reise genießen, wenn ich die Menschen nicht außen vorlasse, die zunehmend von Überschwemmungen, Stürmen oder Hitzewellen bedroht sind, heute und in Zukunft.
Papst Franziskus hat in seiner Enzyklika „Laudato si“ die Erde mit einem Haus verglichen, in dem alle heute und in Zukunft gut leben sollen. Dieses Bild benutzt auch Jesus (Joh 14), wenn er vom Himmel spricht. Er beschreibt den Himmel als Haus mit vielen Wohnungen, wo uns Heimat verheißen ist. Papst Franziskus ermutigt, dieses himmlische Gefühl von Beheimatung, von Zuhause schon hier auf Erden für alle Menschen Wirklichkeit werden zu lassen.
In dem Sinne wünsche ich allen, dass der Erntedankmonat Oktober ein himmlischer Monat werde – mit dankbarem Blick auf die himmlischen Gaben der Schöpfung, mit gläubigem Blick auf Erfahrungen, in denen vom Himmel schon etwas spürbar wird hier auf Erden, sowie mit Entschlossenheit und Mut, für den Himmel auf Erden für alle Menschen heute und in Zukunft einzutreten. Mögen Kinder und Jugendliche, Flüchtlinge und einsame Menschen die Erde als Haus erleben, in dem sie sich angenommen und zu Hause fühlen.
Pfr. Hans-Otto von Danwitz
Foto: Gaby Bessen In: Pfarrbriefservice