Welche der beiden Schnecken wären Sie lieber? Die Schnecke mit dem Haus oder die Nacktschnecke? … Doch wohl lieber die mit dem Haus, in das sie sich schützend zurückziehen kann. Das Leben einer Nacktschnecke scheint nicht wirklich erstrebenswert. Und doch heißt es in Jesu Seligpreisung:
Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes.“ (Lukas 6,20).
Hat Gott uns also das Leben geschenkt, damit wir hier auf Erden leiden und schutzlos sind? Wenn wir aber bedenken, dass Jesus ein Wanderprediger war, erscheint diese Aussage in einem anderen Licht. Ein Pop-Song bringt es auf den Punkt:
Es reist sich besser mit leichtem Gepäck.
Für jemanden, der auf Wanderschaft ist, ist materieller Besitz eher Last als Hilfe. Natürlich bietet Besitz Schutz und Sicherheit, aber wenn wir zu sehr daran hängen und ihn mit aller Macht zu erhalten und zu vermehren suchen, kann er auch schnell zur Belastung, zur Last werden. Wer bereit ist, sich zu trennen und loszulassen, lebt leichter und steht doch, wie alle Menschen, unter Gottes Schutz. Vielleicht lohnt es sich, einmal nicht neidisch auf den zu sehen, der mehr hat als wir, sondern uns stattdessen bewusst zu werden, was wir alles besitzen, egal wie unser Kontostand aussieht.
Die vielen kleinen Dinge, wie die Blume am Wegesrand, das Lächeln, das uns jemand unerwartet schenkt oder – jetzt im Herbst -das goldene Licht der untergehenden Abendsonne. Und dann ist da noch das scheinbar Selbstverständliche, dass wir in einem Land leben, in dem Frieden herrscht, täglich Zugang zu frischem, sauberen Trinkwasser haben, ohne lange Wege zurücklegen zu müssen, und dass wir unsere Meinung ohne Angst frei äußern können.
Wenn jetzt im Oktober wieder die Erntedankfeste gefeiert werden, könnten wir auch einmal für diese Kleinigkeiten und das Selbstverständliche Dank sagen – sei es in einem der Erntedankgottesdienste in unserer Pfarrei oder jede und jeder ganz für sich in einem schönen Moment. Wer weiß, vielleicht hat die Schnecke mit dem Haus die Schweißperlen auf der Stirn stehen und stöhnt vor sich hin, während die Nacktschnecke mit einem Lächeln an ihr vorüberzieht.
Ute Kreutzer, Mitglied im Redaktionsteam