„Seht, der Stein ist weggerückt“ GL 766
Eine Umwälzung bis heute
Mit einfachsten Mitteln hat Lothar Zenetti in diesem Text aus dem Jahr 1971 die Verwirklichung des Wortes aus der Geheimen Offenbarung „Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,5) zum prägnanten Lied gemacht.
„Seht,“ rufen voll Staunen die Frauen, die zum Grab Jesu gegangen sind (Lk 24,2). Jemand hat offenbar mit bedeutender Kraft den Stein weggewälzt. Dass da mehr am Werk gewesen ist, als der erste Augenschein nahelegt, wird sich noch erweisen. Die Umwälzung ist eine viel größere, sie stellt alles auf den Kopf, was bisher gegolten hat. „Nichts ist mehr am alten Platz.“ Wächter wachen nicht mehr. Männer in leuchtenden Gewändern … aus einer anderen Welt, verkünden es. Es ist nicht nur der Stein, der nicht mehr da ist, wo er war: Alles ist anders.
In einem großartigen Sinne ist nichts mehr, wo es war, nichts mehr so, wie es war. Die Umwälzung ist für die, die sich künftig Christen nennen werden, die größte Revolution aller Zeiten. Das bisher Undenkbare hat sich ereignet. Gott hat gehandelt. Damit sind alle menschlichen Schlussfolgerungen und Werte überholt. Wenn der Tod aufgehoben wird, ist ein Grab nicht mehr endgültiges Grab. Das Wort „Ende“ bedeutet nicht mehr Ende, sondern Anfang.
Das ist in einem sehr wahren Sinn verrückt, den Heiden eine Torheit (1 Kor 1,23). … Die Herrschaft des Todes ist gebrochen. Jesus lebt. „Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten?“ (Lk 24,5). Es geht dabei um bisheriges und künftiges Handeln. „Seht!“ sagen die Christen zueinander und werden von nun an diesen Glauben lebendig halten und weitergeben.
Geht hinaus in alle Welt (Mt 28,18-20) und tut, wie Jesus getan hat. Liebt einander (Joh 13,34). Er ist vorangegangen (Mt 28,7), wir wollen ihm folgen. Das ist die vollständige Umwälzung in ihrer scheinbaren Paradoxie, die dem Christentum eigen ist (Graham Greene). Vor allem die zweite Strophe bringt sie ungemildert zur Sprache. Sie mündet in den Osterjubel, in das nicht endende Halleluja.
Michael Hoppe hat den Text für das Neue Gotteslob zu Musik gemacht. Der Jubel wird sinnlich spürbar. Vor allem aber schärfen die zahlreichen Synkopen und Vorhalte das Bewusstsein: Es ist nicht alles aus dem Lot, aber die Welt hat sich für immer verschoben.
Karl Allgaier