Aufarbeitung ist ein wichtiges Thema für das Bistum Aachen. Eine konsequente Aufarbeitung sexualisierter Gewalt ist Grundlage für die Glaubwürdigkeit der Kirche.
Aufarbeitung ist kein Projekt, keine kurzfristige Maßnahme, sondern eine Frage der Haltung von uns allen. Aufarbeitung sexualisierter Gewalt bleibt ein Thema für die Kirche und die ganze Gesellschaft.
sagt Generalvikar Dr. Andreas Frick. Das gilt auch mit Blick auf die Nennung von Täternamen, der eine besondere Bedeutung zukommt.
Derzeit entwickeln interdisziplinäre Fachexperten in Absprache mit den Gremien, die die Aufarbeitung kontrollieren und begleiten, eine Systematik als Grundlage für die öffentliche Nennung. Die Persönlichkeitsrechte der Täter treten dabei hinter den Schutz und die Interessen von Betroffenen zurück. Die Veröffentlichung muss juristischen Einwänden standhalten.
Es gibt die zwingende Notwendigkeit im Sinne höchstmöglicher Transparenz, nachvollziehbare Systematiken zu entwickeln.
betont Dr. Frick.
Dies schließt auch die Begleitung betroffener Gemeinden ein. Die Erfahrung zeigt, dass die Nennung eines Täternamens in Gemeinden Verunsicherung und Irritation auslöst. Dabei gibt es Menschen, die den Vorwürfen Glauben schenken und sich für eine Aufarbeitung einsetzten, und andere, die Vorwürfe nicht glauben können oder wollen.
Außerdem muss berücksichtigt werden, dass oftmals noch weitere Betroffene vor Ort leben, deren Geschichte noch nicht bekannt ist.
Insgesamt 250 Betroffene sind dem Bistum Aachen bekannt. Davon haben 134 Betroffene Anträge auf Anerkennung des Leids gestellt, die von der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) in Bonn auf Plausibilität geprüft wurden. 116 Betroffene haben keine Anträge gestellt.
Im Bistum Aachen sind bis Juni insgesamt 2,355 Mio. Euro an Betroffene gezahlt worden. Eine Höchstgrenze für Zahlungen durch die UKA gibt es nicht. In drei Fällen hat das Bistum Aachen mehr als 100.000 Euro gezahlt. Das jüngste Urteil des Landgerichts Köln, das einem Betroffenen 300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen hat, wird auch die weiteren Anerkennungsleistungen beeinflussen.
Die aktuellen Entschädigungszahlungen erfolgen nicht aus Kirchensteuermitteln. Bischof Dr. Helmut Dieser hat im November 2020 einen Solidaritätsfonds eingerichtet. Der Fonds speist sich aus zweckgebundenen Spenden, Beiträgen von Bischöfen und Priestern sowie aus Überschüssen des Bischöflichen Stuhls. Das Bistum Aachen wird außerdem alle rechtlichen und faktischen Möglichkeiten voll ausschöpfen, Täter zur finanziellen Verantwortung heranzuziehen. Als Täter gelten diejenigen, die entweder verurteilt wurden oder nach Überzeugung des Bistums Aachen Täter waren oder sind. Damit sollen auch bislang noch unbekannte Betroffene aufgerufen werden, sich zu melden.
Zurzeit sind dem Bistum Aachen 121 Beschuldigte namentlich bekannt. Darunter befinden sich 110 Kleriker (Pfarrer, Kapläne, Patres, Diakone) und Ordensschwestern. Die weiteren elf waren Hausmeister, Küster,
Lehrer und Erzieher. Dem Bistum Aachen sind 13 einschlägige Verurteilungen seit 1935 bekannt. Gegen alle bekannten lebenden beschuldigten Kleriker hat das Bistum Aachen Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Viele Taten sind „verjährt“. Dies macht eine strafrechtliche Verfolgung durch Gerichte nicht möglich.
Jeder neue gemeldete Fall wird der Staatsanwaltschaft gemeldet. Staatliches Recht hat Vorrang. Handelt es sich bei dem Beschuldigten um einen Priester, wird erst nach Abschluss des staatlichen Verfahrens ein kirchenrechtliches eingeleitet.
Folgende unabhängige Gremien kontrollieren und begleiten die Aufarbeitung:
- Der Betroffenenrat vertritt die Interessen der Betroffenen.
- Die unabhängige Aufarbeitungskommission, in der externe Expertinnen und Experten sowie Betroffene vertreten sind, hat zur Aufgabe, die Aufarbeitungsergebnisse zu dokumentieren.
- Der ständige Beraterstab des Bischofs bespricht in offenem Dialog kritische Punkte.
Mit allen Gremien ist das Bistum Aachen in intensivem Austausch.
Das unabhängige Gutachten hat die systemischen Ursachen durch Klerikalismus und sog. Co-Klerikalismus klar benannt. Die Konsequenzen daraus sind unter anderem: Neuausrichtung der Priesterausbildung, konsequenter Einsatz bestehender Schutzkonzepte in allen Pfarreien und Einrichtungen sowie die Professionalisierung von Intervention und Prävention, die seit 2011 systematisch aufgebaut wurde. Hauptamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und ehrenamtlich Engagierte, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, müssen regelmäßig an Präventionsschulungen teilnehmen und alle fünf Jahre ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Dies gilt auch für Priester.
Bistum Aachen
Melden Sie Missbrauch
Betroffene und Zeugen sexualisierter Gewalt, die Vorfälle melden wollen oder Informationen, Beratung oder Hilfe benötigen, können sich wenden an www.missbrauch-melden.de oder Tel. 0241 452225 . Die Hotline ist Montag, Mittwoch, Freitag von 9 bis 16 Uhr erreichbar, Dienstag und Donnerstag von 16 bis 20 Uhr. Ihre Angaben werden vertraulich behandelt und es stehen Ihnen geschulte Ansprechpersonen zur Seite